Notiz 11: Sommerschule

Der Sommer steht in unserem Projekt im Zeichen der Sommerschule. Da trifft sich eine Truppe Studenten, Geologiefans und Fachleute und streift eine Woche lang durch Wiesen und Wälder, jubelt über jedes Steinchen und macht eine Wissenschaft daraus. So sieht das vielleicht für einen Laien aus; tatsächlich aber handelt es sich um fachspezifische Arbeit einschließlich Vorträgen, Seminaren und Diskussionen, bei denen ich unsere Dolmetscher immer zutiefst bewundere.

Die diesjährige Sommerschule befaßte sich mit dem Thema „Didaktik und Popularisierung der Geologie“. Oder auch: wie man ein guter Geoparkführer wird und aus der Geologie ein spannendes Abenteuer macht.

Als Projektmanager ist man einerseits Teilnehmer und andererseits für die Betreuung der Gruppe zuständig, also ist man praktisch Reisebegleiter. In der Praxis sieht das so aus, daß man andauernd alles neu berechnen muß. Beim Frühstück ist noch alles in Ordnung, denn die, die übernachtet haben, frühstücken auch. Dann kommt der einheimische Geoparkführer dazu, der zu Hause schläft. Also x+1. Man braucht x+1 Mittagessen, aber Vorsicht – die Teilnehmer sind teils Vegetarier, teils Fleischesser. Und schon hat man eine andere Formel, nämlich 3V+19F. Die gilt aber nur bis zu dem Moment, wo die ganzen Gourmets auf ihre Teller gucken. Sofort wird aus 3V eine ziemlich variable Größe, oder die Fleischesser geben einer momentanen Laune nach und überlegen es sich anders.

Der nächste Stolperstein kommt, wenn man zum ersten Mal ins Gelände aufbricht. Man will 22 Äpfel, 22 Schokoriegel und 22 Flaschen Wasser an die Gruppe ausgeben, aber 4 Äpfel, 2 Wasser und null Schokoriegel bleiben übrig. Dann fängt man an, die Gruppe unauffällig zu zählen und behilft sich im Geiste mit mnemotechnischen Tricks – 3 Männer, 3 Frauen, 4 Akademiker, 4 Deutsche, 2 patente Kerle, 6 aus dem kleinen Haus. Aber die Gruppe wimmelt ständig durcheinander, oder ein paar gehen zurück, um ihren Hammer zu holen, und wieder andere wechseln die Schuhe …

Und so geht es die ganze Woche. Man gibt sich Mühe, daß alle alles haben, und dabei lächelt man und tut so, als ob alles in Ordnung wäre. Auch wenn gerade ein Teil der Gruppe mit dem Auto wegfährt und man mitten zwischen den Felsen allein mit 18 Leuten zurückbleibt und ganz genau weiß, daß im Tal ein Kleinbus wartet, der nur 17 Plätze hat. Oder wenn bei der Besichtigung eines Kirchleins plötzlich die halbe Gruppe fehlt, und dann findet man sie auf dem Friedhof wieder, wo sie sich über die geologische Vielfalt der Grabsteine auslassen. Die Arbeit eines Reisebegleiters und eines Projektmanagers hat also viele Gemeinsamkeiten. Man muß organisieren, improvisieren und die Ruhe bewahren können, z.B. wenn man jemandem schon zum dritten Mal erklärt hat, daß es sich nicht um einen Produktionsfehler handelt, sondern daß die sagenhaften Socken von der SAB tatsächlich zwei unterschiedliche Farben haben. Auf den Vorschlag, die Socken doch untereinander auszutauschen, geht aber niemand ein, und dann kann man sich insgeheim einen Spaß daraus machen, zu raten, wer sich wohl als erster traut, das ungleiche Paar anzuziehen.

Jedenfalls hatte ich nach fünf Tagen einen Vogel, und immer wenn wir die Kinder aus der hiesigen Grundschule getroffen haben, habe ich die Lehrerinnen um die bunten Westen mit den großen Zahlen auf dem Rücken beneidet. Vielleicht kaufe ich solche beim nächsten Projekt.